Das 2003 an der Glockengasse eröffnete „Haus der Stadtgeschichte“ ist Sitz von Salzburgs Stadtarchiv und Stadtstatistik. Es hat sich in den 15 Jahren seines Bestehens als wichtige Kultureinrichtung und anerkannte Forschungsinstitution etabliert und legt nun ein neues Buch zur Geschichte der Stadt Salzburg vor.
Ressortchef Vizebürgermeister Bernhard Auinger: „Für mich ist das Haus der Stadtgeschichte Gedächtnis und Gewissen Salzburgs in einem – also schlicht unverzichtbar.“ Breite Teile der Gesellschaft profitierten vom hier gesammelten und professionell aufbereiteten Wissen. So werde auch das neue Buch zur Stadtgeschichte allen Schulen kostenlos zur Verfügung gestellt.
Und Auinger weiter: „Wenn ich zum Beispiel an die groß angelegte Aufarbeitung der Nazi-Zeit denke oder an das österreichweit einzigartige multimediale Online-Migrationsarchiv, dann möchte ich sagen: Mut, Weitsicht und das Anpacken heißer Eisen zahlen sich aus! Salzburg ist und bleibt eine weltoffene Stadt und braucht Institutionen wie das Haus der Stadtgeschichte.“
Ingrid Tröger-Gordon, Chefin der Abteilung Kultur, Bildung und Wissen, macht auf das immense Arbeitspensum der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufmerksam: „Die Aufgaben sind sehr vielfältig. Allein die bis dato nicht abgeschlossene Aufarbeitung von NS-Biographien in Sachen Straßennamen ist extrem umfangreich. Diverse Archive sind erst seit kurzem zugänglich. Wir haben jedoch bereits 53 Erläuterungstafeln in der Alt- und Neustadt montiert, 32 weitere für Aigen sind vorbereitet.“ In Sachen Erinnerungskultur sei sie stolz darauf, dass am 30. April das Mahnmal für die Bücherverbrennung auf dem Residenzplatz enthüllt werde.
Archivalien aus neun Jahrhunderten
Amtsleiter Peter F. Kramml ist Herr über das Haus der Stadtgeschichte. Anders ausgedrückt über: 1.900 m² Speicher auf 4 Ebenen, 14 Kilometer Regalstellfläche. Archivalien aus 9 Jahrhunderten, 25.000 Bücher und Zeitschriften, 800.000 historische Bilddokumente, 15.000 Aktenneuzugänge pro Jahr, 450 statistische Erhebungen/Monat, 300 statistische Auswertungen/Jahr, 2.000 Lesesaalbenutzer*innen und 500 Anfragebeantwortungen pro Jahr, 1,5 Millionen Zugriffe auf die Internetseiten von Stadtarchiv und Statistik (inkl. NS-Projekt, Migrationsarchiv) sowie 50 Veranstaltungen und fünf bis zehn Publikationen pro Jahr.
Er freut sich, dass die umfangreichen Archivalien intensiv genutzt und sein Haus auch von vielen Salzburger*innen unterstützt werde: „350 Personen und Institutionen haben uns in den letzten 15 Jahren zeitgeschichtlich bzw. kulturhistorisch sehr wertvolle Bestände überlassen, darunter das Fotoarchiv Krieger, das Archiv des Karl-Steinocher-Fonds oder die Glasplattensammlung des Carl von Frey aus 1888-1896.“ Einen besonderen Schwerpunkt des Hauses bilde die historische Fotografie, die mit Bildbänden und Ausstellungen zugänglich gemacht werde.
Stolz ist Kramml über 91 bis dato erschienene Bücher zur Stadtgeschichte und Publikationen der Stadtstatistik mit einer Gesamtzahl von rund 75.000 Exemplaren. Dazu kommen noch 160 Statistik-Publikationen, die zum Gratis-Download zur Verfügung gestellt wurden (weitere Eckdaten siehe PDF unten).
Neues Buch: „Salzburg. Eine Stadtgeschichte“
Neue Erkenntnisse und Perspektiven auf die lange Geschichte der Stadt legt das Stadtarchiv nun in einer gebündelten und gut lesbaren Form vor: Mehr als 90 Kurzkapitel mit über 150 zumeist großformatigen Abbildungen kommentieren Zeitabschnitte und Themenbereiche. Eine Zeittafel vervollständigt den Überblick.
Der Bogen spannt sich von den ältesten Spuren der Besiedlung über die Römer- und Bischofsstadt und die erzbischöfliche Residenz- und Landeshauptstadt sowie dem Werden des „Deutschen Rom“ bis hin zur Mozart-, Kultur- und Festspielstadt plus Universitäts- und Wissensstadt der Gegenwart. Erstmals unternimmt eine Publikation auch den Versuch, die Entwicklungslinien der Salzburger Kommunalpolitik der Nachkriegszeit bis zum ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert in knapper Form nachzuzeichnen.
Wichtige Entwicklungen der Frauengeschichte
Zu den angewandten modernen Forschungsansätzen zählt der Blickwinkel der Geschlechtergeschichte, der in allen Beiträgen quer durch das Buch berücksichtig ist. Exemplarisch werden einige wichtige Entwicklungen der Frauengeschichte aufgezeigt, etwa für das 18. Jahrhundert im Beitrag „Salzburger Bürgerinnen und ihre Ehemänner“ oder zu Themen wie Mütter unehelicher Kinder, Frauen in der bürgerlichen Öffentlichkeit oder Frauenwahlrecht.
Der Sozialgeschichte wird in Beiträgen über Armenfürsorge und bürgerliche Stiftungen des Mittelalters genauso Rechnung getragen wie über Umgang mit Armut und Bettel in der Frühen Neuzeit. Die tiefen politischen und gesellschaftlichen Umbrüche der Zeit um 1800 werden in ihrer Widersprüchlichkeit thematisiert. Den Aufbruch in die Moderne erlebten die Menschen als Periode der Entbehrungen. Weder die Säkularisierung noch die zahlreichen Herrschafts- und Systemwechsel, und auch nicht der endgültige Anschluss an Österreich sind nur positiv oder negativ zu werten.
Eingang in die Stadtgeschichte fanden zudem neue Erkenntnisse zur Geschichte des Ersten Weltkriegs und zur Stadtverwaltung der Zwischenkriegszeit mit den tiefen Einschnitten, die die Gewaltjahre 1934 und 1938 brachten. Die Ergebnisse des mehrjährigen Forschungsprojektes „Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus“ werden erstmals in komprimierter Überblicksform dargestellt. Und auch das Migrationsarchiv wird dargestellt.
Pläne und Stadtansichten
Zielpublikum des Buches sind historisch Interessierte, Schulen und Lehrende. Daher wurden auch Pläne und wichtige Stadtansichten abgedruckt. Eine Visualisierung der Römerzeit, die erste Stadtansicht im Mittelalter, Pläne und Stadtansichten zur frühen Neuzeit und zur Stadterweiterung im 19. Jahrhundert und auch ein erstes „Farbfoto“ der Stadt können nachgeschlagen werden.
Neben zentralen Urkunden und Archivalien zur Stadtgeschichte, die im Haus der Stadtgeschichte verwahrt werden, fanden auch die wertvollen Neuerwerbungen an historischen Fotos der letzten 15 Jahre, wie die Sammlung Frey mit Bildern zum Alltag im 19. Jahrhundert und das Fotoarchiv Franz Krieger mit Unikaten zur Geschichte der NS-Zeit Eingang in das neue Buch. Ein aktuelles Literaturverzeichnis bietet zum Abschluss die repräsentative Fachliteratur für weiterführende Forschungen.
Das neue Buch:
Peter F. Kramml, Sabine Veits-Falk und Thomas Weidenholzer: „Salzburg. Eine Stadtgeschichte“ (Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg 47), Salzburg 2017, 256 Seiten mit 168 Farb- und SW-Abbildungen, ISBN 978-3-900213-36-7, VP 24,20 €.
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